Die politische Elite Europas konzentrierte ihr Interesse in den Jahren 1813/14 auf die Haupt- und Residenzstadt Wien. Durch den Wiener Kongress sollte der Kontinent eine neue, zukunftsträchtige Struktur erhalten um damit Kriege zu verhindern. Die hohe Politik war nur eine Facette dieser vor Sinnlichkeit pulsierenden Stadt, die damals als „Paris an der Donau“ bezeichnet wurde.
Der Graben war in der Ära des Wiener Kongress eine Lustmeile. Professionelle Liebesdienerinnen fanden sich dort ebenso ein wie biedere Hausfrauen. Theresia, die Ehefrau des Börsenmaklers Hranninger hatte ihr schönstes Kleid angezogen. Die prominierenden Kavaliere betrachteten sie lüstern.
Die rosarote Kutsche des österreichischen Generalfeldmarschalls Charles Joseph de Ligne galoppierte durch den Kohlmarkt. Der stadtbekannte Adelige liebte diese Farbe. Fürst Ligne war ein älterer, großzügiger und lebenslustiger Mann. Das Gespann hielt am Graben vor den Tischen des Cafés. Der ehemalige Heerführer stieg aus und musterte die Damen.
Theresia Hranninger gefiel ihm. Sie stieg zu ihm in die Kutsche und sie fuhren zu seinem Palais. Im Liebeszimmer stand ein großes Bett und ein Buffet mit erlesenen Speisen und anregenden Getränken. Ein kleines Orchester spielte im Raum dahinter. Der Kavalier kam nur bei auserwählten Musikstücken als Liebhaber in Höchstform. Theresia wollte den alten Mann anfangs nicht an sich spüren, doch seine Agilität und seine Fantasie erregte sie zusehends.
Bald wurde der Belgier im diplomatischen Dienst nicht mehr gebraucht. Die finanziellen Zuwendungen versiegten. Der Fürst erhielt eine Pension als hoher Offizier. Diesen Umstand verschwieg er. Mädchen aus der Vorstadt befriedigten den Adeligen. Er lernte die Ungarin Tori lieben. In einer kalten Jänner-Nacht erwartete sie der Fürst im Seidenmantel auf der Straße. Sie kam nicht. Der Mann war halb erfroren. Vier Tage kämpfte er mit einer Lungenentzündung, ehe er starb. Fürst Charles Joseph de Ligne wurde am Kahlenberger Friedhof beigesetzt.
Time Travel Tipp: Haus Mölker Steig 5, ehemaliges Palais des Fürsten
Charles Joseph de Ligne
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Redaktion: Michael Ellenbogen